Fleetwood Mac wagten sich in Berlin mal wieder gemeinsam ins Konzert
Von Gerd Dehnel
BERLIN - Wer es schafft, eine Band zusammenzuhalten, obwohl sie doch gerade von privaten Trennungen und Affären erschüttert wird, wer in einer solchen Krise sogar noch ein großartiges Album auf den Weg bringt, der hat alle Bewunderung verdient. Mick Fleetwood ist ein solch talentierter Menschenführer. Ihm vor allem ist es zu danken, dass sich die getrennten Christine und John McVie sowie Stevie Nicks und Lindsey Buckingham 1976 im Studio nicht die Augen auskratzen, sondern eine Handvoll unsterblicher Popsongs aufnehmen.
Ihm auch ist zu danken, dass Fleetwood Mac sich noch immer gelegentlich auf den Weg zu ihren Fans machen, obwohl der ganz große Pop-Ruhm schnell verblasst ist. Im Wesentlichen gründet er auf der zweiten Hälfte der 70er Jahre mit den Platten „Fleetwood Mac“, „Rumours“ und „Tusk“. Vorher galt die Band eher als britische Blues-Combo für Spezialisten, nachher gab’s vor allem Streitereien und minder erfolgreiche Solo-Versuche ohne Fleetwood.
Der Namensgeber hat eigentlich genug zu tun als Schlagzeuger seiner Mick Fleetwood Blues Band. Manchmal aber packt ihn wohl die Lust auf den großen Pop-Rausch – und vielleicht auch auf die höheren Tantiemen. Dann holt er die Weggefährten von einst wieder zusammen und feuert wie am Montagabend mit ihnen alte Über-Hits wie „Second Hand News“ oder „Little Lies“ in die bis unters Dach besetzte Berliner Arena am Ostbahnhof.
Sein Kumpan aus Anfangstagen John McVie legt dynamische Basslinien, Lindsey Buckingham reißt ohne Plektrum die E-Gitarre, als wolle er seine Fingerkuppen einbüßen. Und Stevie Nicks lässt mit rauchiger Stimme weitgehend vergessen, dass seit „Rumours“ mehr als drei Jahrzehnte ins Land gegangen sind. Leider fehlt in dieser Besetzung Christine McVie und damit das harmonische Ineinandergreifen verschieden getönter Stimmen. Stattdessen setzt die Band auf knirschenden Rock-Radau, was den Songs nicht immer gut tut. Zumal die Halle ohnehin das Entstehen von pappigem Soundbrei fördert. Nervende Längen tun sich auf, wenn Buckingham zu immer neuen und immer ähnlichen Soli anhebt, dazu gockelhaft als Gitarrengott über die Bühne stolziert.
Auf diese Weise wird ausgerechnet „Tusk“ brutal dahingemetzelt. Das verwirrende Klangexperiment von einst mit den alptraumhaft gewisperten Passagen und den furiosen Ausbrüchen ist, in brachialen Haudrauf-Rock gewandet, kaum zu erkennen.
Doch alle Einwände verfliegen in einem Finale, wie es nicht alle Tage vorkommt. Da feuert erst Lindsey Buckingham ein ausuferndes hochenergetisches Solo in bester Brit-Blues-Manier ab, das die Besucher in einen tanzenden Haufen vor die Bühne treibt.
Schließlich findet die Band zu einem derart beseelten und inspirierten Zusammenspiel für „Go Your Own Way“, als werde der Song just in diesem Moment auf dieser Bühne erst geboren. „Don’t Stop“ im Zugabenblock klingt nach Ankündigung. Aufhören scheint kein Thema. Im nächsten Jahr soll’s sogar ein neues Album geben. (Von Gerd Dehnel)
No comments:
Post a Comment